Ein langer Weg nach Kaitaia

Lisa und ich hatten bisher immer den Bus genommen, um von einem Ort zum nächsten zu gelangen. Neuseeland ist so sicher und die Menschen sind so lieb, dass wir das Hitchhiken ausprobieren wollten. Zusammen ist das ja bekanntlich auch noch sicherer als alleine, um ehrlich zu sein, möchte ich mir da auch einfach nicht so schlechte Gedanken zu machen, denn das beeinflusst die Erfahrung sehr. Meine Oma macht sich zu dem Thema sehr viele Gedanken und hat als ich noch zu Hause war, immer die crazy unangenehmen und schlechten Nachrichten über Frauen und Hitchhiken rausgehauen. Irgendwann bat ich sie, die Nachricht nicht mehr zu lesen und das Thema ruhen zu lassen, so gehe es uns beiden besser. Ich finde diese Form des Reisens ermöglicht spontane Begegnungen, erfordert glaube auch viel Mut und Flexibilität. Kann ja sein das man nur bis zur nächsten Kreuzung mitgenommen werden kann oder so. 🤓

🚗 „Hitchhiken“ zu deutsch Trampen, ist Reisen mit der Methode des Anhaltens von Fahrzeugen am Rande der Fahrbahn, in Fahrtrichtung des gewünschten Zielortes. Um Fahrenden zu signalisieren, dass sie mitgenommen werden möchten, wird mit dem Daumen „gewinkt“.

Wir standen also, mit einem Schild in den Händen, welches unsere gewünschte Enddestination angab, und den Daumen nach oben ausgestreckt an der Straße und warteten. Naja, also ganz ehrlich, das, was wir machten, gehört zwar zum Hitchhiken, war aber vorher schon abgesprochen. Josie, unser Woofing-Host, hat eine Freundin namens Caroline, die aus geschäftlichen Gründen öfter nach Kaitaia muss. Besagte Freundin, hat uns angeboten, uns mitzunehmen; wir sollten an dem Wegesrand mit Schild auf sie warten, damit sie uns erkennt.

Es war trotzdem ein aufregendes Gefühl: Wie verhält man sich, worüber redet man? Sind diese Menschen selbst auch gehitcht? Was haben sie so erlebt? Am Ende war es irgendwie anders herum, Caroline befragte uns, woher wir kamen und was wir noch so machen wollen in Neuseeland und musste relativ schnell geschäftlich telefonieren, sodass wir den Rest der Fahrt aus dem Fenster schauten.

Die Autofahrt von Waipu nach Kaitaia war lang und trostlos. Die Bäume kahl und ohne Blätter standen entlang der Straßen, als hätte ein Künstler den Auftrag, den Wald neu zu bemalen, konnte sich jedoch farblich noch nicht festlegen. Es war angenehm traurig und machte müde. Kurz vor unserem Ziel fanden wir ein kleines Restaurant am Straßenrand für Kaffee und einen Snack.

In Kaitaia angekommen, fanden wir schnell unser Hostel, die Mainstreet-Lodge. Die Geschichte hinter dem Hostel ist etwas sketchy: Es ist öffentlich bekannt, dass der letzte Besitzer wegen unangemessenen Verhaltens im Gefängnis sitzt. Jetzt leitet eine vorherige Putzkraft das Hostel gemeinsam mit denjenigen, die ihn ins Gefängnis gebracht haben. Wir wohnen hier mit 20 anderen Deutschen. Die Lodge hat eine riesige offene Küchenzeile, wo wir alle gleichzeitig kochen können und in dem Vorraum steht einen Billardtisch. Hier findet sehr laute und lustige Küchen-Partys statt Bild 5. Es gibt einen kleinen Innenhof und in einer separaten Halle steht sogar eine Tischtennisplatte.

Der Ort an sich war fix erkundet: 15 Minuten nach links zum Informationszentrum mit Bibliothek und 15 Minuten nach rechts zum Pack’n’Save, einem der größeren Supermärkte. Die Straßen gesäumt von kleinen Eisbuden und Geschäften. Im Informationszentrum gibt es einen Bereich für Kids, und darin befindet sich ein selbstgebautes Baumhaus – wie cool ist das bitte – da würde ich auch gerne spielen!

Abenteuer am Cape Reinga

Am Sonntag, dem 21.09.14, besuchten wir Cape Reinga. Die Bus-Tour führte am Gumdiggers Park vorbei, wo damals viel Bernstein gefunden wurde. Der Tour-Guide erklärte, dass der Ort bennant wurde durch das Wortspiel aus den Worten Gumboots {deut.: Gummistiefeln) und der Tätigkeit des digging (deut.: Graben) herstammt. Nächster Stopp: der Leuchtturm des Cape Reinga.

Der starke Wind war bei unserem Spaziergang spürbar, wir konnten uns auch einfach direkt in die Windböen hineinlegen und fielen nicht nach vorn. So starke Naturgewalten kannte ich bis dato noch gar nicht. Die Aussicht atemberaubend – ein unvergessliches Erlebnis. Wir standen also direkt an den Klippen, unter uns das tosende Meer, wo der azurblaue Himmel nahtlos in die endlosen Weiten des Ozeans überging. Weiter unten nahe am Meeresspiegel konnten wir einige Klippen sehen, sie ragten stolz empor, während die Wellen mit kraftvollem Trommelschlag gegen die Felsen prallten und ein ohrenbetäubendes rauschen erklingen ließen. Der salzige Wind wehte kräftig und während sich der Horizont unendlich weit erstreckte, wurde mein Sein mit einem Gefühl von Freiheit erfüllt. Es war, als würde die Zeit stillstehen und alles ins Unendliche gerückt werden.

Von den Klippen kann man tief hinab schauen, es ist ein sehr besonderer Ort für die Maori, ein alleinstehender Baum steht am Rande der Felsen und gilt als der Wegweiser verstorbener Seelen. Ich wünsche mir, dass meine Seele, wo auch immer ich sterben werde, einfach auch ihren Weg durch diesen Ort nach oben ins Universum finden wird. Ein schöner Gedanke.

🪾Der Baum am Cape Reinga, bekannt als „Te Tūōranga Whakaoma,“ symbolisiert den Übergang von Leben und Tod in der Māori-Kultur. Er ist ein wichtiger Ort für spirituelle Zeremonien und gilt als der Punkt, an dem die Seelen der Verstorbenen in die nächste Welt reisen. (www.doc.govt.nz)

Als wir wieder im Bus saßen, drehte das Wetter und ein heftiger Sommerregen setzte ein, begleitet von Hagel. Doch hielt es nur kurz an. Nächster Stop: Te Paki – Giant Sand Dunes, wo wir mit Boogieboards die Steilhänge heruntersausen konnten Bild 10. Am 90 Mile Beach, direkt am Fuße des Cape Reigna, konnten wir Wildpferde beobachten! Einfach echte Wildpferde, noch nie zuvor gesehen, weil haben wir nicht in Deutschland.

Erstes Mal alleine Hitchiken 🚔

Am Mittwoch, den 24.09., fuhr ich alleine mit dem Fahrrad nach Ahipara, um etwas zu unternehmen. Der Strand dort war fantastisch – erfrischendes, warmes Wasser und eine tolle Atmosphäre Bild 2. Ich saß in der Düne und schnitt mir eine frische Orange mit dem Taschenmesser meines Opas auf.

Danke Opi, ich habe dich lieb.

Auf dem Rückweg versuchte ich mich daran alleine zu hitchhiken. Zu meiner Verwunderung hielt einfach ein Polizeiauto an und nahm mich mit. Der Polizist kannte das Hostel gut und ich hoffte nur, dass wenn jemand sah, wie ich aus dem Polizeiwagen stieg, sie nur das Beste dachten. Mein Fahrrad war ja auch hinten auf der Ablage, also alles easy?! Das Hitchen mit der Polizei war wirklich sehr lustig. Der Mann war echt nett und ich kann mir vorstellen, das es auch mit anderen fremden Menschen genauso nett und einfach von statten laufen kann. Ich gehe am besten einfach nur vom besten aus.

Verschiedene Jobs in der Landwirtschaft

Klar, irgendwann sollten wir gebrauch machen von unserem Arbeitsvisum. Schließlich wollen wir diese Erfahrung mitnehmen. Erster Job war auf einer Farm, die jungen Kumarasätzlinge, also Süßkartoffeln, einpflanzen.

Ihr könnt Euch vorstellen, es ist ein Traktor, der ein extra gebautes Gestell hinter sich herzog, welches für die Arbeitenden hergestellt wurde. Es waren circa 10 nebeneinander aufgereihte Stühle, mit Fußgestell direkt über dem Boden mit einer Tischablage, für hunderten Kumarapflänzchen zum Einpflanzen, über unseren Beinen. Hinter uns ein Trupp von Menschen, welche unsere Arbeit kontrollierten. Sie hatten einen Slogan für diese Arbeit, welcher immer wiederholt wurde: „Dig down and dirty“, was bedeuten soll, bring die Wurzel so tief in die Erde wie geht und mach deine Hände schmutzig. Wir überlegen immer noch ein T-Shirt mit diesem Spruch drucken zu lassen! Nach der Arbeit saßen wir beisammen im Hostel, spielten Karten oder Billard, aßen, sangen Lieder, die mit der Gitarre begleitet wurden. Diese Arbeit war sehr vom Wetter abhängig und das Wetter wollte nicht so richtig mitspielen, weshalb wir uns einen neuen Job suchen mussten.

Bild 4 zeigt unseren zweiten Job, auf einer Zucchiniplantage, bei der wir jeden Tag die von der Natur aus rund und krumm gewachsenen Zucchini mit nach Hause nehmen durften. Schade, dass die krumm und schief gewachsenen Zucchini nicht verkauft werden, da sie viel interessanter sind als gerade. Wir kochten, backten, legten ein und probierten so viel aus, süß und salzig, ich bin ehrlich, ich brauche zunächst keine Zucchini mehr essen. Die Zucchini-Pflanze kann bei manchen Menschen, #metoo , Hautreizungen und Hautausschlag hervorbringen. Ich schätze es liegt an den Blättern, die sind stachelig. Als ich dann endlich Handschuhe kaufte, wurde es angenehmer.

kleines Wander Abenteuer und Katzen

Hier in der Nähe gibt es ein großes Waldgebiet: den Herikino Forest, mit 15 km Wanderweg. Den wollten wir auskundschaften und platen eine entspannte zwei bis drei Stunden Wanderung. Wir starteten Sonntag in der Früh, an der Straße vor unserem Hostel, gingen durch einen Wald, über Wiesen, durch den Herikino: Flora und Faune fühlen sich an wie in einem Regenwald (nicht dass ich je dort war), beeindruckende alte Bäume, wie Kauri und Rimu, sowie einer Vielzahl von Farnen unter anderem Koru säumten unsere Wege. Wir mussten durch kleine Bächlein, über Stock und Stein und mit den Wunder des Waldes verstrich die Zeit.

🌿Die Silberfarn (Ponga), bekannt als „Koru“ im Māori, symbolisiert neues Leben, Wachstum und Frieden. Die Farnblätter baten die Möglichkeit sich einen sichtbar und sicheren Pfad bei Nacht durch die Wälder zurechtzulegen. Die Rückseite des Farns ist mit silber-weißen Linien durchzogen, welche leicht leuchten. Der Farn ist ein Symbol, das sowohl im Ausland als auch von Neuseeländern selbst häufig mit dem Land assoziiert wird, unteranderem weil er auch die Nationale Flagge ziert.

Am Ende waren wir ganze sechs Stunden unterwegs und es wurde dunkel. Das Dorf in dem wir rauskamen, hieß Broadwood. Den Rest des Wegen wollten wir lieber auf offener Straße laufen statt uns im Wald zu verlaufen. Dort liefen wir zu fünft umher und hielten das einzige Auto an, was uns entgegen kam, um zurück zum Hostel zu gelangen. Der Mensch bot uns an er kann uns nach Hause fahren, müsse jedoch noch auf seiner Farm schnell Kälber und Kühe füttern. DAS war wirklich aufregend, etwas nerven aufreibend und eine richtig tolle Erfahrung. Wir lernten seine Frau und Kinder kennen, sie gab uns ein paar Schnittchen danach fuhr er uns den ganzen Weg, bis zum Hostel in Kaitaia zurück Bild 9.

🐈 🐈‍⬛ 🐈 Die frei herumlaufenden Katze sind süß, keine Frage, doch wenn diese Krätzmilben aka Scabies, aus freier Wildbahnen im Hostel verteilen, sind sie nicht mehr so süß. Scabie sind kleine Insekten, die sich unter der Haut, vor allem an warmen stellen (z.B. zwischen den Fingern oder Zehen) einnisten und es fängt höllisch an zu jucken. Richtig ekeliges Gefühl. Wir mussten uns dreimal mit der Anti-Scabie-Lotion, die nach Pfefferminz riecht, eincremen und immer erst nach 10 Stunden duschen gehen. Alle in unserem Hostel mussten ihre Klamotten in schwarze Plastiksäcke verstauen und nach zwei Tagen bekamen wir sie frisch gewaschen wieder. Die Hälfte fehlte zwar, aber was verkraftet man nicht alles für Scabie-freie Klamotten Bild 7.

Abschied und ein besonderes Talent

Bei dem Bezahlen der ersten Rechnung des Hostels gab es ein kleines Problem mit meiner Karte. Ich konnte kein Geld abheben. Die Dame an Tresen kam mir sehr entgegen, da ich einen Einfall hatte, wie ich die Gebühren abbezahlen kann. „I am a Hairdresser, I will hang some Flyer and ask the people to help me pay the bill.“ Alle Menschen des Hostels, selbst die Mitarbeiter:innen, waren bereit, mich zu unterstützen, so saß einer nach dem anderen vor mir und ließ sich die Haare schneiden, bis ich die Rechnung gezahlt und mir Essen kaufen konnte. Dazu sage ich abermals vielen lieben Dank für diese Unterstützung. Menschen sind manchmal so wunderbar Bild 6. 🩵

Lustiger Abschluss: zum Ende meines Aufenthalts, gab es eine Freundesgruppe, die für eine Wanderung alle die gleiche Frisur wollten: 3 mm an den Seiten und 12 mm am Oberkopf. Der Tag war etwas vernebelt, weil es gleichzeitig die Verabschiedungsfeier von vielen Menschen, unter anderem mir selbst, war. Der Haarschnitt wurde natürlich vor dem ersten Schluck Sekt fertiggestellt. 🥂

xoxo, eure Nele 🌿✨